Dienstag, 16. Oktober 2012


Tourblog 4: Bremen, Münster und Düsseldorf

Bremen
Auf die Spedition kann man sich ja ohnehin nur freuen. Zwar sollte die ganze Nummer für uns noch einen gewissen logistischen und finanziellen Aufwand bedeuten, letztendlich stellte sich das aber als halb so wild heraus.

Aber first things first: Unserem eigenen Heimspiel fieberten wir schon lange entgegen und so kämpften wir am Donnerstag, unserem einzigen Off-Day, bis zuletzt mit der Müdigkeit und einem echt monstermäßigen Verkehrsstau -kurz vor Bremen, wo sonst-, der uns bis in den Abend auf der Autobahn festhielt. Daher war die Ankunft bei den Weingärtners umso erleichternder und erfreulicher. Beinahe zeitgleich mit Lingby fielen wir durch die Tür, in die Arme von Muddi und Vaddi und dann aufs Sofa. Ab diesem Zeitpunkt war einfach alles gut. Es gab ein spätes Abendessen, was sag ich, Barbecue (!), das in jeder Hinsicht perfekt war. Elf liebe Leute (und ich) an einem Tisch und für eine gewisse Zeit hört man kein einziges Wort (eine Rarität auf dieser Tour!), sondern nur noch zufriedene Essgeräusche. Im Anschluss wurden –nun wieder unter heftigen Redeschwällen- mehrere Flaschen Wein vernichtet, bis allen etwas schwindelig vor lauter Glück war. Herrrrlisch!
Freitag: leicht verkatert, aber immer noch beseelt trudeln wir nach und nach in der Spedition ein. Das Sound-Team stellten wir diesmal selbst und unser lieber Jü machte zusammen mit Andi Weingärtner einen großartigen Job. Was dabei herauskam, war ein wunderbares Konzert, das auch und gerade durch unser Bremer Publikum ein Riesenspaß wurde. Einmal mehr kochten die Emotionen über und am Ende lagen sich alle in den Armen. Tanzend und jolend verließen wir den Laden und toppten zuhause angekommen das späte Abendessen vom Vortag mit Chili con Carne um 3:00 Uhr nachts. Am Tisch. Mit Familie. Word.
Tausend Dank, Bremen und Familie Weingärtner!













Lingby wissen: Gastfreundschaft hat einen Namen. Weingärtner.
("Wir heißen ja auch nich' Biergärtner, nä?!")


Münster
Vorteil: Eine ganze Stadt voller junger, gerader, schöner Menschen.
Nachteil: Eine ganze Stadt voller junger, gerader, schöner Menschen.

Alle sind gebügelt, gestriegelt, fein ziseliert und süß. Auch die Pension Schmidt, in die man uns hineingebucht hatte, machte eher den Eindruck eines Hybriden aus hipper Studenten-Bar und gemütlichem Café, in das man als Kommunikations- und Medienwissenschafts-Student auch schon mal auf'n Sonntag mit Mama, Papa, Opa und Oma gehen kann, wenn die zu Besuch sind.
Cut.
Wir: krumm, laut und derb, gezeichnet vom Tourleben und den üblichen Eskapaden, mit rauhem Ton und der allgegenwärtigen Rotznäsigkeit. Egal. Muss klappen. Wir wurden nett begrüßt und Veranstalter Niklas war ein aufrechter und an Freundlichkeit kaum zu überbietender Gastgeber.

Ein bisschen anstrengend dagegen war die Sache mit dem Sound. Zugegeben: man wollte in dem kuscheligen Lädchen eigentlich gar nicht wirklich laut, oder mit viel körperlichem Einsatz spielen. Teils aus Angst davor, das liebevoll zusammengeflohmarktete Interieur zu zerdeppern, und teils davor, die Gäste bei ihren Unterhaltungen über die letzte KuWi-Klausur zu stören. Dennoch: wer das Katapult bucht, häääätteeee sich im Vorfeld einen Eindruck von dessen infernalischem Krach gemacht haben können, um Schlimmeres zu verhindern. -Mr. Jazzpop an den Reglern hatte jedoch die Ruhe weg und drehte alles erstmal vorsichtshalber auf halbsolaut und legte uns dann nahe, es ihm in Hinblick auf unsere Verstärker doch bitte gleich zu tun. Murrend fügten wir uns, der Etikette wegen, seinem Diktat. 

Doch genug gemotzt. Auf der Bühne war letztendlich alles in Ordnung und nur das zählte für uns an diesem Abend. Da Lingby mit Dynamik ein bisscher mehr am Hut haben als wir, konnten unsere fünf Freunde im Anschluss doch ein paar Köpfe zum Wippen bringen. Willis Spendenaufruf hingegen, man möge sich erbarmen und etwas Kleingeld in unseren Sprit-Hut werfen, quittierte ein besonders witziger BWLer eloquent und höflich: „Geh doch arbeiten!“.
Tja, auch das kannst‘ haben…

Die Nacht im Hostel ging zu schnell herum (CHECKOUT UM ZEHN, SONST TODESSTRAFE!) und bescherte uns so etwas wie einen richtigen Morgen. Hatten wir lange nicht mehr. Das schöne: ohne Eile oder Termindruck im Genick entschieden wir uns für ein ausgedehntes Frühstück in einer weiteren hippen Münsteraner Location, dem Teilchen & Beschleuniger. Es gab Kaffee, Tee und Brötchen mit Loch in der Mitte. Letztere hatten witzige Namen von Leuten, die man möglicherweise im Zubereitungsprozess mitverarbeitet hatte (Bagel mit Persönlichkeit). Oder auch nicht. Lecker war’s allemal und so lümmelten wir einige Zeit brummend, schmatzend und quakend in der Frühstücks-Höhle herum und belegten sicherlich ein gutes Drittel der vorhandenen Plätze. Hahaha, suck on that, Münster!!
Auch schon wieder geil: als wir uns endlich zur Abfahrt aufgerafft hatten, schien die Stadt uns nicht mehr gehen lassen zu wollen. Auf dem Weg zur Autobahn war plötzlich jede für uns interessante Straße und Auffahrt gesperrt. Ein wenig hektisch versuchten wir einen U-Turn (auch: Chicago-Wende) auf leerer Bundesstraße. Der gelang auch und bekam sofort Beifall von einem süffisant grinsenden Polizeibeamten, der uns sogleich in die nächste Parkbucht winkte. Wohl um uns zu beglückwünschen. 
Münster, du verrücktes Örtchen.

Düsseldorf - Finale
In einer perfekten Welt würde das Glück ewig währen. In einer perfekten Welt würde ich mich am Bass nicht mehr verhacken und die Abendgage nie unter 500 Euro sinken, wären die Freigetränke unbegrenzt und die Tour mit Lingby würde niemals zu Ende gehen, weil wir alle tierisch viel Freizeit hätten und uns das ohne Probleme leisten könnten. Tja, die Welt ist zwar nicht perfekt, aber immerhin sollte unser letztes gemeinsames Konzert in Düsseldorf ein würdiger, wenn auch schwer von Melancholie durchsetzter, Abschluss werden. Die Stimmung auf der Fahrt von Mü nach Dü war stark durchwachsen. Alle freuten sich auf eine tolle Show, denn wir wussten: es kann gar nicht doof werden. Und doch setzte stellenweise ein seltsames Gefühl ein, welches den einen oder anderen zu ausgedehnten Starren aus dem Autofenster veranlasste.

Da wir trotz Irrfahrt durch Münster zum ersten Mal überpünktlich am Zielort waren, konnten wir nach einem kurzen sonntäglichen Stadtbummel in aller Ruhe ausladen und das Düsseldorfer Pretty Vacant in Augenschein nehmen. Plötzlich aber ging alles ganz schnell: aufgebaut, verkabelt, angespielt, Sound steht. „Wie macht der das?!“ fragten wir uns verdutzt, ob der offensichtlichen Zauberkräfte des Tonmeisters. Allein das nahm uns schon einiges von der Schwere, die der Tag so mit sich gebracht hatte. Vor Lingby und dem Katapult stellte sich noch Martin Hannaford allein mit Gitarre und Loopstation auf die Bühne und zog das bereits recht große Publikum mit postrockig anmutendem Singer-Songwriter-Pop in seinen Bann. -Leider absolut melancholie-fördernd. Schluchz. Zur Ablenkung bestellten wir soviel Bier wie wir nur konnten und freuten uns unter anderem über den Besuch von Papa Heß, der sich und seinen Töchter die Ehre gab, zum ersten mal ein Linbgy-Konzert zu besuchen und zu dem Anlass prompt mit einem ganzen Karton Wein aufwartete. Stark!

Stage time. Lingby brannten ein echtes Feuerwerk ab, bei dem mir an diversen Stellen das Wasser in den Augen stand. Ausgelassen, emotional und wunderschön. Das mit meinen Augen sollte einfach nicht besser werden; im letzten Moment vor dem Konzert pflegen wir Katapulte, wie Lingby und sicherlich viele andere Bands auch, ein kleines Ritual zu begehen, bei dem wir eng zusammenrücken und uns ein paar Worte der Ermutigung und Dankbarkeit sagen. Heute hatten mit Sicherheit alle ein schweres Herz und einen Kloß im Hals. Gleichzeitig war aber eben auch dieselbe Begeisterung präsent, wie wir sie die vergangenen zehn Tage geteilt hatten. Auf der Bühne war so einiges zu spüren. Die allgegenwärtige Melancholie, aber auch eine große Verbundenheit, nicht nur innerhalb der Band, sondern auch zu den Jungs und Mädels von Lingby und zum Publikum. Diese leitete uns durch unser Set, sodass wir nach einem fulminanten Brother Blood, diesmal mit allen Lingbys auf der Bühne, erschöpft und glücklich die Instrumente hinlegten und uns schluchzend in die Arme fielen. Das war’s. Nicht zu fassen. Aber wie schon die liebe Judith im Lingby-Tourtagebuch schrieb: „Irgendwie haben wir auch zu viel Schönes erlebt, um einfach nur traurig zu sein“. 


In einem Gefühls-Cocktail aus Erschöpfung, Freude, Traurigkeit und eigentlich fast allem was man so fühlen kann, ging es spät am Abend noch nach Köln, wo wir uns nach einigen Flaschen Wein (Standard) in Judiths Wohnung zur Ruhe legten. Dann war er gekommen, der Morgen des Abschieds. Obwohl wir erstaunlich gefasst waren, wusste wohl jeder in diesem Moment, was uns alle seit dieser Tour verbindet. Das war zu spüren und zu sehen.
Ab nach hause.



Ein paar Worte noch...
Da dieser Tourblog auch ein kleines bisschen mein persönliches Baby ist, möchte ich fernab aller Albernheiten die Gelegenheit an dieser Stelle nutzen und folgendes sagen:
Was wir zusammen erlebt haben, war einzigartig und wird in meinem Herzen bleiben.
Meiner Band möchte ich noch einmal meine Dankbarkeit ausdrücken für eine großartige Zeit voller spannender und emotionaler Momente, zusammengehalten vom Gefühl der Bruderschaft und der Liebe zur Musik. Und ich bleibe dabei: trotz meiner neuen Etappe an einem anderen Ort wird das Katapult Bestand haben. Schließlich haben wir es gebaut.
Lingby. Vor jedem und jeder von euch kann ich nur den Hut ziehen. Ihr seid nicht nur eine unheimlich gute Band, sondern fünf Menschen, deren Bekanntschaft und neue Freundschaft mir eine große Ehre ist. Ich hatte mich ohnehin wie ein kleines Kind auf diese Tour mit euch gefreut, aber alles war einfach noch viel schöner, als ich es mir hätte vorstellen können.So gehe ich also mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Tübingen. In jedem Fall aber in der Gewissheit, etwas ganz großes erlebt und mit euch geteilt zu haben.

Lars

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen